Antenne Bad Kreuznach
today12. April 2025
Foto: Wochenmarkt
Wie sich Bad Kreuznach gegen den Rückgang im Zentrum stemmt – und wo noch nachgebessert werden muss.
Bad Kreuznach erlebt, was viele Mittelzentren betrifft: Der klassische Stadtbummel wird seltener, Leerstände nehmen zu, und das Vertrauen der Händler schwindet. Onlinehandel, hohe Betriebskosten, und das Fehlen eines echten Innenstadt-Erlebnisses setzen dem stationären Handel zu. Trotz des Wandels bleibt das Einkaufen ein zentrales Motiv für den Besuch von Innenstädten. Laut einer Umfrage nennen 61 % der Befragten das Einkaufen als Hauptgrund für ihren Besuch, gefolgt von Gastronomiebesuchen (40 %). Dies unterstreicht die weiterhin wichtige Rolle des stationären Handels in kleinen Städten.
Die Stadt will was tun – mit neuen Formaten, Fördermitteln und öffentlichen Dialogen. Erste Schritte sind gemacht. Doch die entscheidende Frage bleibt: Reicht das?
Besonders beliebt ist weiterhin der Wochenmarkt auf dem Kornmarkt. Dienstags und freitags bieten Händler frische Produkte aus der Region an. Das stärkt nicht nur die Bindung zur Innenstadt, sondern auch das Vertrauen in die Qualität. Hier zählt das Persönliche – ein klarer Vorteil gegenüber anonymem Online-Handel.
Die Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen Programm „Innenstadt-Impulse“ führte bereits zu lokalen Workshops, in denen Händler, Kulturschaffende und Bürger gemeinsam an neuen Konzepten arbeiten. Gleichzeitig zieht die Stadt ihre Eventstrategie konsequenter durch als in der Vergangenheit. Feierabendmärkte, saisonale Themenwochen und Innenstadtkonzerte steigern die Besucherzahlen spürbar – zumindest temporär.
Im Februar 2025 lud die Stadtverwaltung Bad Kreuznach zu einem öffentlichen Dialog über die Zukunft der Innenstadt ein. Besprochen wurden vor allem zwei Themen: die Rückkehr verkaufsoffener Sonntage und der Umgang mit dem zunehmenden Leerstand. Die Veranstaltung war gut besucht, zeigte Gesprächsbereitschaft – aber auch Unmut. Viele Händler vermissen echte Strukturreformen, nicht nur Aktionstage.
Ein Lichtblick: Der Tourismus boomt. Die Übernachtungszahlen stiegen 2024 um 10,6 %, die Zahl der Gäste sogar um 11,7 %. Das spürt auch die Innenstadt, besonders Gastronomie und inhabergeführte Geschäfte profitieren. Aber: Tourismus allein kann nicht ausgleichen, was an regulärer Frequenz im Alltag fehlt.
Ein sichtbar gelungenes Projekt, das zeigt, was möglich ist, wenn Innenstadtentwicklung ernst genommen wird, ist die neugestaltete Mühlenstraße. Die Umgestaltung wurde im Sommer 2024 abgeschlossen und hat das Straßenbild deutlich aufgewertet: breitere Gehwege, niveaugleicher Ausbau, Hochbeete, neue Querungshilfen und Sitzbereiche machen die Straße heute deutlich einladender – nicht nur für Fußgänger, sondern auch für Gastronomie und Einzelhandel.
Die Mühlenstraße zeigt, wie Aufenthaltsqualität konkret umgesetzt werden kann. Trotzdem: Die Bauzeit war lang, und viele Anlieger kritisierten den schleppenden Fortschritt. Umso wichtiger ist es jetzt, ähnliche Maßnahmen schneller und strategischer umzusetzen – denn das Potenzial ist da.
Ein Thema, das in fast jeder Diskussion auftaucht: die Parkplatzsituation. Viele Bürger sehen in den Parkgebühren eine Hürde für spontane Innenstadtbesuche. Die Kreuznacher Stadtwerke haben reagiert – mit einer Aktion, bei der montags zwischen 17 und 18 Uhr eine Stunde kostenfrei geparkt werden kann. Das ist gut gemeint – aber zu wenig.
Eine einzige Stunde pro Woche ist kein echter Anreiz für regelmäßige Besucher. Wer werktags nach der Arbeit oder samstags in die Innenstadt will, muss weiter zahlen – oder weicht auf Einkaufszentren mit Gratis-Parkplätzen aus. Der Wunsch vieler Einzelhändler: ein umfassendes Parkkonzept, das den Handel wirklich stützt und nicht nur punktuell entlastet.
Positiv: Es bewegt sich etwas von unten. Gruppen wie „Omas for Future“ gestalten die Innenstadt mit, etwa durch Pflanzaktionen und Begrünung von Ecken, die sonst grau bleiben würden. Das verbessert nicht nur das Mikroklima, sondern wertet auch das Erscheinungsbild auf. Initiativen wie „Meine Stadt Bad Kreuznach“, „Wir sind Kreuznach“ und Unternehmen, wie auch die Antenne Bad Kreuznach, planen Events und Konzerte, die mehr Besucher in die Innenstadt locken – Beispiele dafür, wie Engagement auch unabhängig von der Verwaltung Wirkung zeigt.
Die angespannte Haushaltslage der Stadt Bad Kreuznach stellt eine erhebliche Herausforderung für die Umsetzung von Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt dar. Der für 2025 beschlossene Haushalt weist ein Defizit von ca. 20 Millionen Euro auf und bedarf der Genehmigung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) . Diese finanzielle Situation schränkt den Handlungsspielraum der Stadt erheblich ein und erschwert die Finanzierung weiterer Projekte zur Innenstadtentwicklung.
Neben Politik und Verwaltung sind aber auch die Händler selbst gefragt. Innenstadtbelebung beginnt nicht nur mit Großprojekten, sondern oft im Kleinen: bei einem Schaufenster, das einlädt statt übersehen zu werden. Viele Läden lassen hier Potenzial liegen. Eine regelmäßige, saisonale und thematisch ansprechende Schaufenstergestaltung schafft Atmosphäre – und kostet fast nichts außer etwas Kreativität und Zeit.
Auch monatliche Mini-Aktionen wie „Nachtshopping am Freitag“, kleine Rabatt-Tage oder thematische Kooperationen zwischen benachbarten Geschäften könnten neue Anreize für Kunden schaffen – besonders, wenn sie regelmäßig stattfinden und gemeinsam kommuniziert werden. Die Kunden wollen Erlebnis – dafür braucht es nicht immer Budgets, sondern Ideen, die auffallen und wirken.
Verantwortung lässt sich nicht verschieben wie ein Karton im Lager. Wer eine lebendige Innenstadt will, muss auch bereit sein, mitzuwirken – Stadt, Händler, Gastronomie, Kulturszene, Bürgerschaft. Die Verwaltung allein wird das Zentrum nicht retten. Ebenso wenig bringt es etwas, wenn Händler nur auf Entscheidungen „von oben“ warten.
Was es jetzt braucht, sind konstruktive Vorschläge – direkt aus der Mitte der Stadt. Welche Maßnahmen würden helfen? Was kann man gemeinsam stemmen? Wer übernimmt wann welchen Teil? Eine stärkere, organisierte Kooperation unter den Ladenbetreibern könnte Impulse schaffen, die keine Behörde allein ersetzen kann. Ein Werbegemeinschafts-Kalender, geteilte Themenmonate, eine offene Ideenbörse oder eine Innenstadtgruppe mit echtem Einfluss – nichts davon braucht Millionen, aber alles braucht Haltung und Willen zur Veränderung.
Denn eins ist klar: Eine Innenstadt lebt nicht von Konzeptpapieren. Sie lebt von denen, die Türen öffnen, statt sie nur zu kritisieren.
Geschrieben von: Leona Winterfeld
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