Antenne Bad Kreuznach
Quelle: Stadtverwaltung Ingelheim
In Bad Kreuznach und Ingelheim wurde am Sonntag der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Am ehemaligen Standort der Synagoge in Bad Kreuznach fand am 9. November 2025 eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht statt.
Unter dem Leitgedanken „Erinnerung braucht Gesichter“ schilderte Oberbürgermeister Emanuel Letz das Schicksal des jüdischen Anwalts Dr. Samuel Georg Arfeld, der nach der Reichspogromnacht mit seiner Familie fliehen konnte und 1953 nach Bad Kreuznach zurückkehrte. Arfeld habe vielen jüdischen Bürgern nach dem Krieg zu Gerechtigkeit verholfen, unterstützte zudem den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde.
Besonders eindrucksvoll war der Beitrag der IGS Sophie Sondhelm. Schüler präsentierten Eindrücke ihrer Studienfahrt zur KZ-Gedenkstätte Auschwitz. Annalena van Elst trug außerdem ihr selbst verfasstes Gedicht „Ungewissheit“ vor, das den Schmerz und die Ohnmacht der Opfer ergreifend beschreibt:
Seit Tagen auf den endlosen Gleisen
Menschen, viele Menschen, ahnungslos
Aufgeteilt in Gruppen, Menschen sind fassungslos
Beängstigend diese Anblicke, lautes Geschrei
Kinder von Müttern getrennt, ganz allein
Aber wo gehen wir hinein?
In die Gaskammer
Leben oder Überleben, eins von den zwei
Dieses laute Geschrei, es frisst sich in mich hinein
Ekelhafter Gestank und lange Arbeit
Macht uns das frei?
Ich will heim, aber doch nicht allein!
Wie können Menschen so ekelhaft sein?
Niemals vergessen, niemals verzeihen.
Es liegt an uns, es ist unsere Zeit!
Diese unmenschlichen Taten sind nun vorbei!
Oder ist es doch nicht vorbei?
Der Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde Bad Kreuznach, Valeryan Ryvlin, rief zu einer Gedenkminute für die Opfer der Reichspogromnacht, der Terrorangriffe vom 7. Oktober 2023 in Israel sowie für alle Opfer im Nahen Osten auf.
Auch in Ingelheim gedachten zahlreiche Bürger am 9. November 2025 auf dem ehemaligen Synagogenplatz in Ober-Ingelheim der Opfer der Novemberpogrome von 1938. Veranstaltet wurde die Gedenkstunde vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis Ingelheim und der Stadt Ingelheim.
Oberbürgermeister Ralf Claus eröffnete die Gedenkfeier mit einer Rede über die zerstörte Ingelheimer Synagoge und die Schicksale jüdischer Mitbürger. „Erinnern heißt, aus der Vergangenheit zu lernen – damit sich Unrecht und Menschenverachtung niemals wiederholen“, so Claus. Zugleich mahnte er angesichts zunehmenden Antisemitismus, wachsam zu bleiben und sich für Demokratie, Vielfalt und Toleranz einzusetzen.
Auch in Bingen wurde am Wochenende der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger versammelten sich an der ehemaligen Synagoge in der Rochusstraße. Veranstaltet wurde das Gedenken von den christlichen Gemeinden, unterstützt vom Arbeitskreis Jüdisches Bingen, dem Verein TIFTUF sowie Schülerinnen und Schülern der Rochus-Realschule und des Stefan-George-Gymnasiums.
Oberbürgermeister Thomas Feser betonte, es sei die Verantwortung der Stadt, das Andenken an die Opfer zu bewahren und die Erinnerung an die jüdische Geschichte lebendig zu halten. „Die Reichspogromnacht 1938 markiert eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. Die Zerstörung der beiden Synagogen in Bingen und das Leid der jüdischen Gemeinde dürfen niemals vergessen werden“, sagte Feser.

Heute erinnern in Bingen unter anderem 115 Stolpersteine an die früheren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Auch das „Fenster in die Vergangenheit“ am Ämterhaus in der Rochusallee verweist auf die lange jüdische Tradition der Stadt.
Geschrieben von: Maximilian Wischermann

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